Wie im letzten Beitrag bereits angekündigt, folgt nun eine detailliertere Beschreibung des Cradle to Cradle-Prinzips für alle Interessierten.
Konventionelle Produktionsweisen arbeiten nach dem Prinzip „Cradle to Grave“: Ein Produkt wird produziert, benutzt, und dann entsorgt – oft mit nicht unerheblichem Schaden für die Umwelt. Auch Strategien, die Umweltbelastung von Produkten zu verringern, bleiben trotz allem diesem Schema verhaftet: Es wird versucht, Schadstoffe zu reduzieren, den Energieverbrauch zu senken, öko-effizient zu sein: das Grundkonzept der Industrieproduktion bleibt unangetastet. Auch der konventionelle Recyclingprozess, oft viel zu teuer, produziert Stoffe, die immer minderwertiger sind als vor dem Recycling – es gibt kein sog. „Upcycling“, sondern nur „Downcycling“.
Das Cradle to Cradle-Prinzip, entwickelt von Michael Braungart und William McDonough, bricht mit der „Produktion für die Mülltonne“ und baut im Wesentlichen darauf auf, dass in der Natur Abfall immer auch Nährstoff für andere Lebewesen und Pflanzen ist. Und dass es in der Natur viele Beispiele für Verschwendung gibt, die dennoch nicht die Lebensgrundlage für andere Lebewesen gefärden. Es baut auf zwei Kreisläufen auf: einem für technische, einem für biologisch abbaubare Stoffe. Im technischen Kreislauf zirkulieren diejenigen Materialien und Produkte, die nach Benutzung recycelt und wieder zu neuen technischen Stoffen – ohne Wertverlust – verarbeitet werden können: sog. „Gebrauchsgüter“. Im biologischen Kreislauf zirkulieren die sog. „Verbrauchsgüter“, die nach ihrer Nutzung durch biologische Zersetzung wieder Nährstoff für die Natur sind – ohne toxische Rückstände.
Beispielhaft für ein „Verbrauchsgut“ und den biologischen Kreislauf sei hier ein Projekt aus dem Bereich Bekleidung vorgestellt: ein kompostierbares Baumwoll-T-Shirt von Trigema (in Sachen Schnitt und Design vielleicht nicht gerade das Must-Have der Saison…), das mit einer synthetisch hergestellten, kompostierbaren Farbe gefärbt wurde. Der Zersetzungsprozess des T-Shirts ist auf der Seite von Trigema zu bewundern – auch wenn wir unsere alten T-Shirts lieber den Franziskanern geben für ihre Kleiderkammer.
Ein weiteres Projekt, das oft genannt wird, ist der „Mirra„-Stuhl von Hermann Miller (zu erwerben für schlappe 1.426 Euro bei memo, ab 3 Stück gibt´s Rabatt!). In einem schweißtreibenden Prozess wurde dieser Stuhl über Jahre von der Firma unseres ehemaligen Professors Burkhard Schmitz, Studio 7.5, entwickelt: Ein Beispiel für ein Produkt, das zu 95% aus recycelbaren, ungiftigen Materialien besteht, die praktisch ohne Wertverlust in einen technischen Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Dies liegt vor allen Dingen daran, dass der ganze Stuhl in seine Einzelkomponenten zerlegt werden kann, die dann jeweils wieder einer neuen Nutzung zugeführt werden können.
Wer sich mit dem Prinzip näher befassen möchte, dem seien die beiden Bücher „Cradle to Cradle – Remaking the Way We Make Things“ und „Die nächste industrielle Revolution – die Cradle to Cradle-Community“ empfohlen.
Ein Wermutstropfen ist jedoch, dass die Ergebnisse der Forschungsarbeiten mit Unternehmen – s. das Beispiel Trigema, das in der Herstellung von speziellen synthetischen kompostierbaren Färbemitteln für die Textilfärbung resultierte – in der Hand der Unternehmen bleiben – die dies natürlich als einen Wettbewerbsvorteil und Alleinstellungsmerkmal nutzen. Dies macht wirtschaftlich durchaus Sinn, doch führt es natürlich dazu, dass neue Materialien für niemanden außerhalb des Unternehmens zur Verfügung stehen – es sei denn, z.B. Trigema entscheidet sich dafür, neben der Textilproduktion auch die Farben zu vertreiben.
Die EPEA (Environmental Protection and Encouragement Agency), das Umweltinstitut von Prof. Braungart, ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Die Forschungsprojekte werden leider nicht staatlich finanziert, so dass es bisher eigentlich keine Möglichkeit gibt, die Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Bleibt zu hoffen, dass die Bereitschaft vieler Unternehmen wächst, in die Umstellung auf Cradle to Cradle-Produktion zu investieren. Und das Bewusstsein wie in Holland, wo es viel mehr dieser Projekte auch auf kommunaler Ebene gibt, auch in Deutschland wächst. Die Tourdaten von Prof. Braungart lassen hoffen.
*NB
OH :-( Sory me. PL DEL!!!!